Die Fähigkeit von Tieren zur Kommunikation hat immer wieder für Kontroversen gesorgt. In den 1970er Jahren erregte die junge Gorilladame Koko weltweite Aufmerksamkeit durch ihre Fähigkeit, die menschliche Gebärdensprache zu verwenden. Skeptiker argumentieren jedoch, dass Tiere wie Koko, Schimpansen und Delfine nicht wirklich verstehen, was sie “sagen”. Die Forschung hat sich in zwei Lager gespalten: Einige Wissenschaftler sind darauf erpicht, herauszufinden, ob Tiere in der Lage sind, symbolische Kommunikation zu nutzen, während andere argumentieren, dass dies eine Vermenschlichung der Tiere sei. Stattdessen sollte man versuchen, die tierische Kommunikation in ihren eigenen Kontext zu setzen.

Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) bieten neue Möglichkeiten, die Kommunikation von Tieren zu entschlüsseln. Wissenschaftler nutzen fortschrittliche Sensoren und KI-Technologien, um riesige Datenmengen zu analysieren und so die Kommunikationssignale von Tieren besser zu verstehen. Die Earth Species Project (ESP), eine gemeinnützige Organisation, arbeitet beispielsweise an einem Programm, das diese Formen der tierischen Kommunikation entschlüsseln kann. Das Ziel ist nicht unbedingt, die “Sprache” einer bestimmten Tierart zu entschlüsseln, sondern ein Werkzeug zu entwickeln, das Biologen verwenden können, um die Signale zu erkennen, die Tiere in bestimmten Situationen aussenden.

Der Wandel in der Forschung

Die Forschung zur Kommunikation zwischen Menschen und Tieren hat einen signifikanten Wandel erlebt. Karen Bakker, Professorin an der University of British Columbia und Fellow am Harvard Radcliffe Institute for Advanced Study, betont, dass die Wissenschaft sich von einem anthropozentrischen Ansatz entfernt hat. Frühere Versuche, Tieren menschliche Sprache beizubringen, wurden als zu menschenzentriert kritisiert. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, wie Tiere in ihrer eigenen “Umwelt” – ihrer gelebten Erfahrung – kommunizieren. Dieser biologischere Ansatz ist weniger anthropozentrisch und konzentriert sich darauf, wie Tiere komplexe Informationen untereinander austauschen.

Die Earth Species Project (ESP) spielt eine Schlüsselrolle in diesem Paradigmenwechsel. ESP nutzt digitale Bioakustik und künstliche Intelligenz, um die Kommunikation von Tieren zu entschlüsseln. Anstatt zu fragen, ob Tiere “wie Menschen sprechen können”, stellt die Forschung nun die Frage, wie Tiere komplexe Informationen untereinander austauschen. Dieser Ansatz ist weniger anthropozentrisch und mehr auf das Tier selbst ausgerichtet.

Technologische Grundlagen

Die Decodierung tierischer Kommunikation ist ein komplexes Unterfangen, das Biologen weltweit seit Jahrzehnten beschäftigt. Es ist ein zeitintensiver Prozess, der in der Regel die Aufzeichnung von Tönen oder die Beobachtung anderer Signale umfasst, die Tiere zur Kommunikation verwenden. Ein Löwe könnte beispielsweise knurren, um eine Warnung auszusenden, während eine Eidechse ihre Hand winken oder einen Kehllappen aufblasen könnte. In einigen Fällen werden diese Beobachtungen durch relativ neue Technologien wie Biologger unterstützt, Geräte, die alles von Ton und Beschleunigung bis zu Herzfrequenz und mehr aufzeichnen.

Die digitale Bioakustik und künstliche Intelligenz haben das Potenzial, die Forschung im Bereich der tierischen Kommunikation erheblich zu beschleunigen. Die Earth Species Project (ESP) hat beispielsweise ein Werkzeug entwickelt, das eine Stimme in einer Aufnahme von mehreren Personen isolieren kann. Dieses Problem, das Wissenschaftler als “Cocktailparty-Problem” bezeichnen, wurde durch die Kombination von Verhaltensbeobachtungen mit Kommunikationssignalen gelöst, die in Biologgern gespeichert sind. ESP nutzt maschinelles Lernen, um die Kommunikation von Tieren zu entschlüsseln und hat bereits ein Peer-Review-Papier in Scientific Reports veröffentlicht, das dieses Werkzeug beschreibt.

Technische Werkzeuge im Detail

Biologger sind kleine Geräte, die an Tieren angebracht werden und eine Vielzahl von Daten aufzeichnen können, von Tönen und Beschleunigung bis hin zu Herzfrequenz und mehr. Diese Technologie hat die Forschung im Bereich der tierischen Kommunikation erheblich vorangetrieben. Durch die Kombination von Verhaltensbeobachtungen mit den in Biologgern gespeicherten Kommunikationssignalen können Forscher ein umfassenderes Bild der tierischen Kommunikation erhalten. Die Earth Species Project (ESP) hat diese Technologie genutzt, um Verhaltensbeobachtungen mit Kommunikationssignalen zu koppeln und so die Datenanalyse zu verbessern.

Neben Biologgern kommen auch Miniaturmikrofone und Sensoren zum Einsatz, um die Kommunikation von Tieren besser zu verstehen. Diese Werkzeuge ermöglichen es, feinere Details der tierischen Kommunikation zu erfassen, die sonst möglicherweise übersehen würden. Sie sind besonders nützlich in lauten oder komplexen Umgebungen, wo traditionelle Methoden an ihre Grenzen stoßen könnten.

KI-Algorithmen und deren Funktionsweise

Die Rolle der künstlichen Intelligenz (KI) in der Entschlüsselung tierischer Kommunikation ist nicht zu unterschätzen. KI-Algorithmen sind die treibende Kraft hinter den neuesten Fortschritten in diesem Bereich. Sie ermöglichen es Forschern, komplexe Muster in den Kommunikationssignalen von Tieren zu erkennen und zu interpretieren.

Die Earth Species Project (ESP) hat ein besonderes Werkzeug entwickelt, das als ChatGPT für Tiere bezeichnet wird. Dieses Tool verwendet Algorithmen, die auf dem Verhalten von Tieren basieren, um vorherzusagen, welches Kommunikationssignal als nächstes kommen wird. Es ist im Grunde ein Algorithmus, der die Kommunikationssignale von Tieren in bestimmten Situationen genau vorhersagen kann. Die Idee ist nicht unbedingt, die “Sprache” einer bestimmten Tierart zu entschlüsseln, sondern ein Werkzeug für Biologen zu entwickeln, das die Signale erkennt, die Tiere in bestimmten Situationen machen.

Wissenschaftler setzen KI-Algorithmen ein, um riesige Datenmengen zu analysieren, die durch tragbare Sensoren und Mikrofone gesammelt werden. Diese Algorithmen verwenden Techniken des Natural Language Processing (NLP), ähnlich wie bei Google Translate, um Muster in der tierischen Kommunikation zu erkennen. Beispielsweise hat ein Team um Yossi Yovel von der Universität Tel Aviv die Kommunikation von Fledermäusen untersucht und festgestellt, dass diese Tiere eine viel komplexere Sprache haben, als bisher angenommen. Sie können sogar individuelle “Namen” oder “Signaturanrufe” haben.

Obwohl KI-Algorithmen beeindruckende Fortschritte gemacht haben, gibt es immer noch Herausforderungen. Die Datenmenge, die durch Sensoren und Mikrofone gesammelt wird, ist enorm, und die Algorithmen müssen ständig angepasst und verbessert werden. Doch die Fortschritte in der Spracherkennungssoftware in den letzten Jahren lassen darauf hoffen, dass auch die Arbeit an der tierischen Kommunikation bald aufholen wird.

Insgesamt bieten KI-Algorithmen ein enormes Potenzial, unser Verständnis der tierischen Kommunikation zu vertiefen und könnten sogar den Weg für eine echte Zwischenartkommunikation ebnen. Sie eröffnen nicht nur neue Möglichkeiten für die Forschung, sondern auch für den Naturschutz und die Verbesserung der Mensch-Tier-Beziehungen.

Praktische Anwendungen und Fallbeispiele

Die fortschreitende Technologie hat die Tür zu einer neuen Ära der Tierkommunikation geöffnet. Die Anwendungsfälle sind vielfältig und reichen von der Grundlagenforschung bis hin zu konkreten Naturschutzprojekten.

Fledermäuse und komplexe Sprachen

Forscher wie Yossi Yovel von der Universität Tel Aviv haben entdeckt, dass Fledermäuse eine viel komplexere Sprache haben, als bisher angenommen. Durch die Verwendung von KI-Algorithmen konnten sie spezifische Muster in den Rufen der Fledermäuse identifizieren. Diese Muster korrelierten mit bestimmten sozialen Interaktionen, wie Kämpfen um Nahrung. Die Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Verhaltensmuster von Fledermäusen besser zu verstehen, was für den Naturschutz von Bedeutung ist.

Honigbienen und vibrationsbasierte Kommunikation

Die Forschung von Tim Landgraf an der Freien Universität Berlin hat gezeigt, dass Honigbienen durch Vibrationen und Körperbewegungen kommunizieren. KI-Algorithmen können diese Signale nun entschlüsseln. Ein Roboter namens RoboBee wurde entwickelt, der in der Lage ist, Befehle an ein Bienenstock zu senden, die die Bienen befolgen. Dies könnte in Zukunft dazu verwendet werden, Bienen zu sicheren Nektarquellen zu leiten.

Anwendung im Naturschutz: Fallstudie Belugawale

Das Earth Species Project (ESP) arbeitet mit Walforschern zusammen, um die Kommunikation von Belugawalen im Sankt-Lorenz-Strom zu analysieren. Die Erkenntnisse könnten dazu beitragen, spezifische Schutzmaßnahmen für unterschiedliche soziale Gruppen innerhalb der Walpopulation zu entwickeln.

Fazit

Die Entschlüsselung der Tierkommunikation durch künstliche Intelligenz hat nicht nur wissenschaftliche, sondern auch tiefgreifende ethische und philosophische Implikationen. Es verändert unsere Beziehung zur Natur und eröffnet neue Möglichkeiten für den Naturschutz. Die Earth Species Project (ESP), eine gemeinnützige Organisation, arbeitet an einem Tool, das Tierkommunikation durch die Analyse riesiger Datensätze entschlüsseln kann. Ihre Mission ist es, unser Verständnis der Natur zu erweitern und unsere Beziehung zur restlichen Natur zu transformieren.

Die Technologie hat auch erhebliche Auswirkungen auf den Naturschutz und die Interaktion zwischen Menschen und Wildtieren. ESP arbeitet bereits mit Wal-Forschern an einem Projekt, das den Klang von Belugas im Sankt-Lorenz-Strom analysiert. Die Erkenntnisse könnten wichtige Informationen für den Schutz dieser Tiere liefern. Ein besseres Verständnis der nicht-menschlichen Kommunikation könnte auch die Erfolgschancen von Wiedereinführungsprojekten verbessern.

Doch die Technologie ist nicht ohne Risiken. Sie könnte von Personen mit schlechten Absichten missbraucht werden, wie zum Beispiel von Wilderern, die aufgezeichnete Paarungsrufe verwenden, um Tiere in Fallen zu locken. Daher ist es unerlässlich, die Nutzung der Technologie sorgfältig zu überwachen und mögliche negative Konsequenzen zu minimieren.

Insgesamt bietet die künstliche Intelligenz ein enormes Potenzial, unsere Beziehung zur Natur neu zu definieren und uns näher an eine echte “interspezies” Kommunikation heranzuführen. Die Arbeit an der Tierkommunikation hinkt der menschlichen Spracherkennungssoftware noch hinterher, aber die Fortschritte sind vielversprechend.

Quellen

https://www.scientificamerican.com/article/how-scientists-are-using-ai-to-talk-to-animals/
https://www.discovermagazine.com/planet-earth/will-artificial-intelligence-help-us-talk-to-animals